Du selber sein

Früher in meinem berufenen Leben, das ich mir durch das sog. Arbeitsleben versaute – also während dieser Zeit war ich froh, daß mir nichts eingefallen ist, außer einmal als frischgebackener Bauleiter. Da fiel doch trotz akademisch gründlicher  Ausbildung an der Unität eine Decke ein, die mir nach dem Apretur – der Persilschein der Intelligenz, eingetrichtert wurde, heute noch unverständlich ist. Der Oberbauleiter schäumte vor Wut als er das Desaster sah.  

Zum Glück hatte ich auch ein umfangreiches Wirtschaftsstudium hinter mir, das aus verständlichen Zeitgründen nur abends und nachts bewältigt werden konnte, da die Bierakademie nur abends zugänglich war. Dadurch war es mir möglich, ihn zu beruhigen und die Vorteile des Einsturzes zu erklären:

„Chef, ich habe vorausgedacht und kein Zement in den Beton angeordnet. Zement kostet ein Haufen Geld. Wäre der drin gewesen, wäre der auch noch futsch.“ Nun, danach hatte er auch über die Möglichkeit nachgedacht, im Sinn des Konzerngewinns den Zement wegzulassen. So was nennt man heute Obsoleszenz. Nun gut, man hat sich geeinigt, ein bißchen Zement muß rein. Vor dem Verkauf kaputt ist Nogo.

Bestellt wie zerronnen wird aber sicher bald Wirklichkeit. Oder bestellt, bezahlt – nie gefertigt und nie abgeholt, wird sicher bald der neue Trend. Dem Umweltschutz geschuldet, kaufe ich etwas, das nie gefertigt wurde, weil ich es mir leisten kann und prahle damit im Fratzenbuch. Weiß ohnehin nicht mehr, wo ich den ganzen Scheiß noch unterbringen soll. In der kommenden virtuellen Realität mit Cybersex, Digitalonanie und der zunehmenden #meeTooDepression über zuviel materielle Dinge, die eine Vielzahl von Ratgebern zu Simplify your life hervorbrachten, wäre das doch die ultimative Geschäftsidee. 100 % Gewinn für alle Beteiligten. Es gibt viele Wege zur Besinnung.

Manch einer kommt ganz leise daher. So leise, daß er kaum wahrgenommen wird. Den will ich hier vorstellen. Ein Selenverwandter, vermute ich mal. Darin liegt eine Kraft, die keiner bedarf. Nur der Erkenntnis: Sei du selbst.

Du selber sein

Wenn klar du bleiben kannst ob rings die Menge,
verwirrt im Geiste, dich den Wirrkopf heißt,
wenn du noch lächeln kannst, trotz all der Strenge,
mit der man dir so manche ´Schuld` beweist;
wenn Warten du gelernt hast ohne Maßen
und als Belog`ner selber wahr zu sein,
wenn du mit Gleichmut überwandest Hassen
und trautest deinem graden Sinn allein –

Wenn du ein Träumer sein kannst, doch mit Wissen,
Gedanken spinnst, doch freien Blick bewahrst;
wenn du des Unglücks Last, des Glückes Kissen
mit unbeirrter Seelenruhe paarst;
wenn du den kühnsten Traum, der dich begleitet,
geduldig hüten lerntest – Teil um Teil,
wenn dich die eig`ne Wahrheit sicher leitet,
und scheint der Weg zum Ziel auch noch so steil –

Dann kannst du unter Narren dich bewahren,
mit Königen sprechen, ohne klein zu sein.
Ob sich dann Freunde oder Feinde um dich scharen,
du wirst doch immer nur du selber sein.
Du füllst den Zeitenraum der schnellen Stunde
mit frohen Taten, ehe sie dahin.
Dann sind dir Erd` und Himmel beid` im Bunde,
dann bist du Mensch, dann hat dein Leben Sinn!

Wenn alles, was du nach und nach gewonnen,
auf einen Wurf du ruhig gibst dahin –
und ohne Zögern deines Lebens Brunnen
zu frischem Leben weckst und Neubeginn,
wenn klar du deinem Herzen kannst befehlen –
und schlüg` es gleich wie in verlass`nem Haus,
und zu dir sprechen, tief in deiner Seelen:
,,Halt aus, mein Wille! Wanke nicht! Halt aus!”

Dann kannst du unter Narren dich bewahren,
mit Königen sprechen, ohne klein zu sein.
Ob sich dann Freunde oder Feinde um dich scharen,
du wirst doch immer nur du selber sein.
Du füllst den Zeitenraum der schnellen Stunde
mit frohen Taten, ehe sie dahin.
dann sind dir Erd` und Himmel beid` im Bunde!
Dann bist du Mensch! Dann hat dein Leben Sinn!

(Hans Spielmann)

Gedicht gefunden hier

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