Scan&go in die schöne neue Smart City

Scan&go wird bereits in der Testphase eingestampft, weil zuviel gestohlen wird. Aldi hat Scan&go bereits wieder beendet bevor es das kleine Arschloch diese kostenlose Einkaufsquelle als Volkssport entdeckt. Ich sehe das etwas anders. Die Totalüberwachung mittels Überwachungskameras nach chinesischem Vorbild ist bei uns noch nicht weit genug um jeden ‚Mundraub‘ zu ahnden. Sobald diese installiert sind wird jede Bewegung überwacht und niemand wird mehr unbestraft auch nur eine Brezel am Scanner vorbeischleusen. Smart City läßt grüßen. Scan&go ist nur ein klitzekleiner Meilenstein zum Weichkochen des kleinen Arschlochs zum Bioroboter. Demnächst mehr zum Thema Smart City.

[…6. Post-voting society
Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehr-heitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltens-bezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.]

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Kalenderwandel

Nach dem Klimawandel spielt auch noch der Kalender verrückt. Seit den Aufzeichnungen der Kalendertage mit Beginn der Corona-Pandemie und dem Russeneinmarsch in die Kokaine äähhh Ukraine verlängert sich der Februar um Lebens- und Geldbeutelbedrohendes jedes Jahr um einen Tag. Bis 2030 verlängert sich der Februar auf 35 Tage, so der Furzsitzende des Protzdamm-Instituts für Klimakterium. Die Grünen begrüßen dies, jubeln und fordern eine Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zur Finanzierung der Ukraine.
Sollte es so weitergehen, so können wir die Monate März bis Dezember streichen. Der Februar hat dann alle Werktätigen in der Kralle. Diese werden einfach dem Februar zugeschlagen.

Ein ganzes Jahr arbeiten zum Lohn eines Monats sollte für jeden klardenkenden Bürgen .. Bürgenden, Bürger_Innen oder so zur Pflicht werden um den Kalenderwandel aufzuhalten und vor allem: den Kampf gegen Räächds stärken.

Da bleibt nur noch Tauben vergiften um — ja, um was?:

Schatz, das Wetter ist wunderschön
Da leid ich’s net länger zuhaus
Heute muss man ins Grüne geh’n
In den bunten Frühling hinaus
Jeder Bursch und sein Mäderl
Mit einem Fresspaketerl
Sitzen heute im grünen Klee
Schatz, ich hab eine Idee

Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau
Geh ma Tauben vergiften im Park
Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau
Geh ma Tauben vergiften im Park
Wir sitzen zusamm’n in der Laube
Und a jeder vergiftet a Taube
Der Frühling, der dringt bis ins innerste Mark
Beim Tauben vergiften im Park

Schatz, geh, bring das Arsen gschwind her
Das tut sich am besten bewähr’n
Streu’s auf a Grahambrot kreuz über quer
Und nimm’s Scherzel, des fressen’s so gern
Erst verjag’mer die Spatzen
Denn die tun an‘ olles verpatzen
So a Spatz ist zu gschwind, der frisst’s Gift auf im Nu
Und das oarme Tauberl schaut zu

Ja, der Frühling, der Frühling, der Frühling ist hier
Geh ma Tauben vergiften im Park
Kann’s geben im Leben ein größres Plaisir
Ois des Tauben vergiften im Park

Der Hansl geht gern mit der Mali
Denn die Mali, die zahlt’s Zyankali
Die Herzen sind schwach und die Liebe ist stark
Beim Tauben vergiften im Park
Nimm für uns was zu naschen
In der anderen Taschen
Geh ma Tauben vergiften im Park

Das ganze Geheimnis des Lebens

Den Sinn des Seins finden zu wollen, ist des Sinnes Todesgedanke. Er treibt den Menschen in den Wahnsinn der Sklaverei – der Götteranbetung – ausnahmslos. Jeder Versuch, einen Sinn zu finden, endet in einer Bedingung, die allemal Fremdorientierung voraussetzt.  Somit ist der Glaube, ihn in meiner Freiheit als Individuum zu finden absurd. Auch im Rudelverhalten der reinen Anarchie, der ich einige Zeit etwas abgewinnen konnte, geht in die Irre. Wenn Leben einen Sinn haben sollte, dann nur aus sich selbst Schöpfendes. Es braucht nichts von außen um zu existieren. Reine Liebe, wie sie oft als Sinn postuliert wird, ist der Klebstoff der Idiotie. Es gibt sie nur aus der Verzweiflung der Aussichtslosigkeit. Sie ist die Abhängigkeit und somit durch uns Idioten selbst fremdbestimmt, die wir durch Zirkelbezüge frei sein wollen und klammern uns an eine fiktive Wirklichkeit des Seins, die im Wahnsinn des Glaubens endet.

Selbst der Schöpfer hat es nicht geschafft, seinen Sinn des Lebens zu finden. Warum wohl hat er das Universum und den Menschen geschaffen? Aus Langeweile, oder weil er vom Nachteil seiner Geburt noch nichts wußte? Sollte er noch nicht genug haben von seiner Tristesse seiner Sinnlosigkeit, so kann er sicher seinen Sinn als Politiker hier auf Erden finden oder in der RTL-Show ‚Holt mich da raus‘. Entweder Habe ich gar nix kapiert über den Sinn des Lebens – des Daseins oder alles. Die Welt wie sie ist, vom Schöpfer kreiert, wird sich weiterhin nur zwischen Krieg und Nichtkrieg (keine Friedenszeit) bewegen. Gott ist längst aus Gram seiner nicht bedachten unvollkommenen Geburt gestorben. Wenn er wirklich Gott war, dann hat etwas richtig gemacht. Erkannt, daß er Scheiße gebaut hat und sich vom Dannen gemacht. Sein Erbe tragen wir in alle Ewigkeit.

Mein heutiges Gutenachtlied – eine Ode an den Künstler Gilbert Becaud zur Völkerverständigung.

Es sind die unerwarteten Begegnungen zwischen Menschen, die das Leben lebenswert machen und Hoffnung geben. Becauds zeitlose lyrische Interpretation zeigt was wirklich zählt im Leben – die idiotische Politik beiseite lassen und zu Grabe tragen.

Schluß nun mit dem nüchternen Ton
und der Oktober-Revolution.
Das war für uns sonstwohin.
Schluß mit dem Grabmal von Lenin,
dem Kakao im Kaffee Puschkin.
Das, das war längst dahin.

Nathalie

Der Rote Platz war ganz leer.
Vor mir ging sie her,
Nathalie.
Einen schönen Namen hatte mein Führer,
Nathalie.
Der Rote Platz war ganz weiß,
Ein Teppich aus Schnee und aus Eis.
Trotz Kälte folgte ich ihr am Sonntag,
Nathalie.

Sie sprach in ganz nüchternem Ton
von der Oktober-Revolution.
Und ich träumte schon,
daß wir nach dem Grabmal von Lenin
schlürfen würden im Kaffee Puschkin,
einen Kakao.

Der Rote Platz war ganz leer.
Ich nahm ihren Arm her,
sie hat gelacht.
Eine blonde Haarpracht
hatte mein Führer
Nathalie, Nathalie.

In ihrem Raum in der Universität,
wartet mit Kuriosität
die halbe Fakultät.
Es ward gelacht, und alles dann erzählt
von der westlichen Welt.
Nathalie hat übersetzt.
Moskau, die Täler der Ukraine,
und die Champs-Elysées.
All das in einem Lied,
ohne Unterschied.
Dann ward eine Schampus-Flasch
aus Frankreich aufgemacht,
und getanzt die halbe Nacht
und laut gelacht.

Als dann ihr Raum endlich leer war,
und jeder Freund gegangen war,
blieb ich ganz allein mit meinem Führer,
Nathalie.
Schluß nun mit dem nüchternen Ton
und der Oktober-Revolution.
Das war für uns sonstwohin.
Schluß mit dem Grabmal von Lenin,
dem Kakao im Kaffee Puschkin.
Das, das war längst dahin.

So leer scheint mir nun mein Leben.
Doch ich weiß, als Führer in Paris
wird sie mich eines Tags erleben,
Nathalie, Nathalie …

Warum hat Fau­len­zen einen so üblen Leu­mund?

Die mo­der­ne Ar­beits­wut- und Zeit­ver­knap­pungs­ge­sell­schaft muß das Fau­len­zen von Grund auf ableh­nen, ächten und ver­ur­tei­len um den Turbokapitalismus nicht zu gefährden. Po­li­ti­ker, Öko­no­men und Er­zie­her und sonstige Welt­ver­schlech­te­rer, Be­triebs- und Volks­wirt­schaft­ler, Leh­rer und Pro­fes­so­ren müs­sen und wol­len zum Ar­bei­ten und zur Nütz­lich­keit, zur Ef­fek­ti­vi­tät und zur Ef­fi­zi­enz, zur Ge­schwin­dig­keit und zur Be­schleu­ni­gung mo­ti­vie­ren, um ihre gutbe­zahl­ten Rol­len zu er­fül­len und die li­nea­re Kul­tur des Wes­tens vor­an­zu­brin­gen.
Besonders hervorzuheben sind die Priester, die seit mindestens vier Äonen das Faulenzen und den Müßiggang verteufeln (Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen.) Die niedere, abhängige Tätigkeit wird zu einem guten, tugendhaften Leben für den Pöbel erhoben.

[…„travail“, französisch: Arbeit, kommt vom Lateinischen: quälen, pfählen! Oder hier, germanisch: „Arba“, das hieß Knecht oder auch: „arbejo“: Ich bin ein verwaistes und darum zu harter Arbeit verdingtes Kind. …] (DLF)

Der größte Schachzug um den Pöbel auch die unsinnigste Maloche schmackhaft zu machen gelang Marx und Engels. Sie führten den Arbeitern ihre vermeintliche Macht in der Masse vor Augen und gaben ihnen Selbstbewußtsein, nicht zuletzt durch Betriebsräte und Mitarbeiterbeteiligung.  Die Arbeiterbewegung zirkelte sich dadurch selbst in eine Art Heroismus, der Voraussetzung war für das Ertragen ihres prekären Daseins und heute in dieser Urform am zerfallen ist. Das Arbeiten ist heute zum reinen, oft sinnlosen ‚Broterwerb‘ degradiert, wie von Luther angedacht und forciert. Die Menschen – zumindest in der westlichen Welt spüren heute daß etwas schief läuft in ihrem Leben. Vor allem lehnen immer öfter die Millennials / Generation Y die Vollbeschäftigung und Fremdbestimmung ab – zugunsten des ‚gesunden Egoismus‘.

Es wundert daher nicht daß die Umsätze der Unterhaltungs- und Medienbranche weltweit im letzten Jahr 2.427 Mrd. $ (statista) betrugen um den Pöbel von seiner Tristesse abzulenken und den gesunden Egoismus im Keim zu ersticken. Sehr viele Dienstleister und ehemals stolze Beamte sind hier einzureihen und spüren inzwischen ebenfalls ihr sinnloses Handeln zum reinen Broterwerb und flüchten sich in das Metaversum der Unterhaltung (sich selbst unten halten).

Der gesunde Egoismus gepaart mit einer kreativen Faulheit, aus der sich neues Lebenswertes entwickeln kann ist vonnöten. Richard Utz mit der Einladung zum Untauglichsein beäugt dieses Thema ausführlich im folgenden Aufsatz. Die einzige Gegenbewegung, die diesen Trend früh erkannte und aufhalten wollte war die Anarchie. (s. Der Anarchismus und seine wirkliche Bedeutung)

Sie wurde bald übel unterwandert. Die Kommunisten erhoben den absurden Führungsanspruch über den Anarchismus unter Vorsitz von Karl Marx, der in die kollektive Versklavung führt.
Der Anarchismus mag noch über lange Zeit ein Traum bleiben. Als Blaupause zur Überwindung des Staatsmonopolkapitalismus, in den wir hineingepreßt werden mit der übelsten Versklavung kann er jedoch dienlich sein.

Zur weiteren Vertiefung schlage ich vor, sich ausführlicher den Werken der ursprünglichen Anarchisten zu nähern, wie Étienne de La Boëtie  , Pierre Joseph Proudhon, Max Stirner, Kropotkin und sich auch mit der Geschichte der sog. Anarcho-Syndikalisten zu befassen.

Dieser kurze Ausflug in die Anarchie mag die Gedanken von Richard Utz ergänzen.


Richard Utz

Einladung zum Untauglichsein. Über das Faulenzen

»… also, die einen ar­bei­ten ein­fach so viel, und die an­de­ren legen sich ein­fach hin… das ist fau­len­zen…« (Emma, 6 Jahre alt)

Ein­la­den­de Be­trach­tun­gen

In einem so­zi­al­psy­cho­lo­gi­schen Ex­pe­ri­ment wurde die Leis­tungs­fä­hig­keit fau­ler mit der von flei­ßi­gen Grup­pen ver­gli­chen. Bei an­sons­ten sehr ähn­li­chem So­zi­al­pro­fil, ope­ra­tio­na­li­siert in Merk­ma­len wie Ge­schlecht und Alter, Bil­dung und In­tel­li­genz, be­deu­te­te ›faul‹ nied­ri­ge, ›flei­ßig‹ hohe Leis­tungs­mo­ti­va­ti­on. Bei­den Grup­pen wur­den ein­fa­che und kom­ple­xe Auf­ga­ben ge­stellt. Ge­mes­sen und ver­gli­chen wur­den Zeit­auf­wand und Ef­fi­zi­enz der Lö­sungs­we­ge je Grup­pe. Das Re­sul­tat: Flei­ßi­ge Grup­pen sind schnel­ler und ef­fi­zi­en­ter beim Lösen ein­fa­cher Auf­ga­ben, weil sie eine hohe Be­reit­schaft mit­brin­gen, Auf­ga­ben gleich wel­cher Art lösen zu wol­len. Diese eil­fer­ti­ge Be­reit­schaft min­dert die Ko­ope­ra­ti­ons­fä­hig­keit der Flei­ßi­gen aber beim Lösen der kom­ple­xe­ren Auf­ga­be. Sie gön­nen sich nicht die Zeit, um nach­zu­den­ken und über ihr Nach­den­ken mit an­de­ren zu kom­mu­ni­zie­ren. Sie den­ken und gehen am liebs­ten schnell vor, den­ken un­gern nach und gehen un­gern nach und nach vor. Da­ge­gen ist die faule Grup­pe lang­sa­mer und in­ef­fi­zi­en­ter beim Lösen der ein­fa­chen und schnel­ler und ef­fi­zi­en­ter beim Lösen der kom­ple­xe­ren Auf­ga­be. Bis sie sich Ge­dan­ken ma­chen, ist die ein­fa­che Auf­ga­be von der flei­ßi­gen Grup­pe be­reits ge­löst; weil sie sich Ge­dan­ken ma­chen und Zeit las­sen, lösen sie die kom­pli­zier­te­re Auf­ga­be schnel­ler und ef­fi­zi­en­ter als die flei­ßi­ge Grup­pe.

Ob­wohl es land­läu­fi­ge Vor­ur­tei­le wi­der­legt, zeigt die­ses Bei­spiel auf grel­le Weise, wie wenig dem Main­stream der so­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen For­schung zum Main­stream des Le­bens ein­fällt. Es ist ein in­stru­men­ta­lis­tisch ver­kürz­ter Be­griff von Faul­heit, der nur eine Fa­cet­te die­ses Phä­no­mens in den Blick be­kommt, die tra­di­tio­nell Ge­gen­stand der mo­ra­lis­ti­schen Kri­tik ge­we­sen ist: ihr of­fen­sicht­lich kri­ti­sches Ver­hält­nis zur Leis­tung, wor­auf immer eine Kri­tik der Faul­heit ant­wor­tet. Faul­heit oder, ge­nau­er und etwas we­ni­ger pe­jo­ra­tiv be­zeich­net, Fau­len­zen wird in die­sem Grup­pen­ex­pe­ri­ment mit Pro­blem­lö­sen iden­ti­fi­ziert, also mit einem Han­deln, das üb­li­cher­wei­se beim Fau­len­zen ge­mie­den wird. ›Faul­heit‹ ver­sucht doch ge­ra­de, sich von Pro­ble­men und ihren Lö­sun­gen frei- und fern­zu­hal­ten, um in Ruhe und Frie­den op­ti­mal fau­len­zen zu kön­nen.

Das heißt nun aber wie­der­um nicht, dass Faul­heit oder Fau­len­zen kein Han­deln ist. Zu­min­dest lässt sich das ›Faul­sein‹ als ›Fau­len­zen‹ hand­lungs­theo­re­tisch ent­fal­ten. So um­fasst der Hand­lungs­be­griff nicht nur äu­ße­res oder in­ne­res Tun, son­dern auch Un­ter­las­sen und Dul­den. Ent­schei­dend für die At­tri­bu­ie­rung des Hand­lungs­be­griffs auf ein mensch­li­ches Ver­hal­ten ist dabei der sub­jek­ti­ve Sinn, den Han­deln­de mit ihrem Ver­hal­ten ver­bin­den, und für so­zia­les Han­deln ist dar­über hin­aus re­le­vant, dass es sei­nem Sinn nach auf das Ver­hal­ten an­de­rer be­zo­gen und ›da­durch in sei­nem Ab­lauf ori­en­tiert ist‹, wie das etwa Max Weber in sei­nen so­zio­lo­gi­schen Grund­be­grif­fen aus­führt.

So be­trach­tet, lässt sich Fau­len­zen plau­si­bel als eine Form von Han­deln be­grei­fen. Die fol­gen­den Über­le­gun­gen ver­su­chen ers­tens zu er­kun­den, ob und in wel­chem Sinn sich Faul­heit oder Faul­sein oder Fau­len­zen als Hand­lung ver­ste­hen lässt, um zwei­tens zu er­grün­den, ob und wie Fau­len­zen als ein Tun und ein Un­ter­las­sen auf­ge­fasst wer­den kann. Schlie­ßen möch­ten diese Über­le­gun­gen drit­tens mit der Be­ant­wor­tung der Frage, wes­halb das Fau­len­zen einen so üblen Ruf be­sitzt.

Fau­len­zen als Han­deln

Fra­gen wir zu­nächst, ob und in wel­chem Sinne Fau­len­zen über­haupt ein Han­deln ist. Dazu stei­gen wir am bes­ten über das ›Tun‹ ein, mit dem unser All­tags­ver­ständ­nis Ak­ti­vi­tä­ten ver­bin­det, die sich in phy­si­schen, psy­chi­schen und mo­to­ri­schen Ak­tio­nen ma­ni­fes­tie­ren. Zu­nächst scheint klar, dass es ein im ab­so­lu­ten Sinne voll­kom­me­nes Nichts­tun für Men­schen als le­ben­de Or­ga­nis­men eben­so wenig gibt wie einen voll­kom­men frei­en Wil­len. Jeder le­ben­de Or­ga­nis­mus und ein mensch­li­cher oh­ne­hin ›tut‹ oder in jedem ›tut sich‹ zu­min­dest immer etwas. Seine Phy­sio­lo­gie, sein Stoff­wech­sel und seine Or­ga­ne ar­bei­ten un­un­ter­bro­chen, so dass man sagen kann, Leben al­lein ist eine Leis­tung und manch­mal auch schon eine Ar­beit. Über­dies ›tut‹ sich auch Ei­ni­ges im Raum des see­lisch Un­be­wuss­ten, das uns im Traum oder im Sym­ptom zu­gäng­lich ist, falls wir den dazu pas­sen­den Schlüs­sel der Ana­ly­ti­ker be­sit­zen. Al­ler­dings fällt ein sol­ches Tun ohne unser ak­ti­ves Zutun noch nicht unter den Be­griff des Han­delns. Dazu ist min­des­tens eine ge­woll­te Ab­sicht not­wen­dig, ohne die so­wohl das ve­ge­ta­ti­ve Wir­ken un­se­rer Phy­sis als auch die un­be­wuss­te Um­trie­big­keit un­se­rer Psy­che gut aus­kom­men kön­nen, wes­halb es kein ›Han­deln‹, son­dern blo­ßes ›Ver­hal­ten‹ ist.

Davon zu un­ter­schei­den sind For­men des Tuns, mit denen ein ge­mein­ter Sinn, eine ge­woll­te In­ten­ti­on ver­bun­den ist. Und die­ses Kri­te­ri­um kann auch gut für das Un­ter­las­sen und das Dul­den ver­wen­det wer­den. Immer dann, wenn ein Un­ter­las­sen oder Dul­den als Aus­druck einer mensch­lich ge­woll­ten In­ten­ti­on zu ver­ste­hen ist, darf es als Han­deln an­ge­spro­chen wer­den.

Wie in der Hand­lungs­theo­rie üb­lich, las­sen sich vierer­lei Arten der sinn­haf­ten Ori­en­tie­rung des Tuns, des Un­ter­las­sens und des Dul­dens un­ter­schei­den: die ra­tio­na­le an Zwe­cken, die ra­tio­na­le an Wer­ten und das an Af­fek­ten und Tra­di­tio­nen ori­en­tier­te Han­deln. Von die­sen vierer­lei Arten Sinn, an denen mensch­li­ches Han­deln sich ori­en­tiert, möch­te ich im fau­lenzi­schen Zu­sam­men­hang zwei Sinn­ori­en­tie­run­gen: zweck­ra­tio­na­le und wer­tra­tio­na­le sowie zwei Hand­lungs­for­men: Un­ter­las­sen und Tun un­ter­su­chen. So er­ge­ben sich fol­gen­de Zu­ord­nun­gen und Fra­ge­stel­lun­gen, die für ein Ver­ständ­nis des Fau­len­zens aus­ge­lo­tet wer­den: In wel­chem Sinn kann Fau­len­zen als wer­tra­tio­na­les Tun und als Un­ter­las­sen von Zweck­ra­tio­na­li­tät auf­ge­fasst wer­den? [Fau­len­zen wäre dem­nach ein Tun, das sei­nem Sinn nach immer in ge­wis­sem Grade wer­tra­tio­nal ori­en­tiert ist, weil es aus­ge­führt wird, um sei­nes »E i g e nwert(es)« (Max Weber: Wirt­schaft und Ge­sell­schaft, Tü­bin­gen: Mohr, 1980, S. 12) wil­len, d.h. »…un­ab­hän­gig vom Er­folg« (ebd.); wei­ter ist es sei­nem Sinn nach af­fek­tu­ell ori­en­tiert, weil es in be­son­de­rer Weise »emo­tio­nal: durch ak­tu­el­le Af­fek­te und Ge­fühls­la­gen« (ebd.) sinn­haft be­stimmt sein kann. Zwei­tens wäre Fau­len­zen ein Un­ter­las­sen und ein Nicht-Dul­den, das sei­nem Sinn nach sich der ra­tio­na­len Ori­en­tie­rung an Zwe­cken ent­hält und wi­der­setzt, weil es sich ge­ra­de nicht an der »Er­war­tung des Ver­hal­tens von Ge­gen­stän­den der Au­ßen­welt und von an­de­ren Men­schen und unter Be­nut­zung die­ser Er­war­tun­gen als ›Be­din­gun­gen‹ oder ›Mit­tel‹ für ra­tio­nal, als Er­folg er­streb­te und ab­ge­wo­ge­ne eigne Zwe­cke« (ebd.) aus­rich­ten mag. Dul­den als ei­ge­ne Hand­lungs­form lasse ich weg, da es als Nicht-Dul­den oder mit Un­ter­las­sen iden­tisch ist. Tra­di­tio­nal ist Fau­len­zen nach der hier vor­ge­tra­ge­nen Kon­zep­ti­on des­halb nicht, weil es ge­nu­in ak­tua­lis­ti­sches Tun und ge­ra­de nicht als ein­ge­leb­te Ge­wohn­heit zu ver­ste­hen ist.]

Be­gin­nen wir mit der Frage da­nach, in wel­chem Sinne Fau­len­zen als Un­ter­las­sen von Zweck­ra­tio­na­li­tät zu ver­ste­hen ist.

Fau­len­zen als Nicht-Tun. Un­ter­las­se­ne Zweck­ra­tio­na­li­tät

Vor­ur­tei­le ge­gen­über dem Fau­len­zen las­sen leicht ver­ges­sen, dass für das Fau­len­zen kein ge­ne­rel­les Nichts-Tun, son­dern ein be­son­de­res Nicht-Tun cha­rak­te­ris­tisch ist. Und die­ses ›Nicht-Tun‹ kann ein Han­deln sein, und zwar ak­ti­ves Un­ter­las­sen der Ak­ti­vi­tät, die sich be­wusst an Zweck-Mit­tel-Er­war­tun­gen aus­rich­tet.

Was also un­ter­las­sen wir, wenn wir fau­len­zen? Wir tun nichts, was ir­gend­wie durch fremd ge­setz­te Zwe­cke be­stimmt ist und von uns ver­langt, dass wir unser Ver­hal­ten, Den­ken und Füh­len als Mit­tel ver­ste­hen. Wir tun nichts, was ir­gend­wie me­tho­disch-sys­te­ma­ti­sches Han­deln wäre, das rück­sichts­los ge­gen­über un­se­ren ak­tu­el­len Ge­stimmt­hei­ten und spon­ta­nen Lüs­ten und Lau­nen uns auf ir­gend­wel­che fremd­be­stimm­te Zwe­cke hin­ab­zieht und un­se­re En­er­gi­en zu frem­den Diens­ten presst. Wir ent­sa­gen der Ver­pla­nung un­se­rer Zeit und der Funk­tio­na­li­sie­rung un­se­rer Auf­ent­halts­räu­me, las­sen die ge­plan­ten Ziele und ihre Mit­tel und das ziel­füh­ren­de Han­deln über­haupt fah­ren, pfei­fen auf die Zü­gig­keit und die Er­geb­nis­ori­en­tie­rung, kurz: wir ver­wei­gern alles, was uns von der Au­ßen­welt und der Mit­welt, von den In­sti­tu­tio­nen und Sys­te­men an­ge­son­nen wird, wir kün­di­gen aller He­te­ro­no­mie. Dies aber be­deu­tet: Wer fau­lenzt macht sich un­brauch­bar und un­nütz­lich, und das hat zur Folge, dass, wer fau­lenzt, nicht an­schluss­taug­lich ist.

An­schluss­un­taug­lich­keit heißt in un­se­rer mo­der­nen Welt haupt­säch­lich Sus­pen­si­on aller zweck­ra­tio­na­len In­dienst­nah­me, heißt Sub­ver­si­on sys­te­mi­scher He­te­ro­no­mi­en, die uns durch Be­rufs­ar­beit, Kon­sum­ar­beit und Fa­mi­li­en­ar­beit und alle ir­gend­wie sys­te­misch de­fi­nier­ten Rol­lenskrip­te ver­nut­zen wol­len. Daher ist Fau­len­zen auch nicht mit Re­la­xen oder Chil­len iden­tisch, und schon gar nicht mit Frei­zeit. Zwar sind in die­sen ver­wand­ten, aber eben nur auf Re­ge­ne­ra­ti­on aus­ge­rich­te­ten For­men des Un­ter­las­sens die zweck­ra­tio­na­len Hand­lungs­mo­ti­ve aus­ge­schal­tet, aber doch nur vor­über­ge­hend und mit aus­drück­li­cher Er­laub­nis. Denn Re­la­xen oder Ab­hän­gen, Chil­len oder Ent­span­nen, An­ti-Stress-Pro­gram­me fol­gen dem re­ge­ne­ra­ti­ven Im­pe­ra­tiv, der zwar be­fiehlt: ›Du musst auch mal run­ter­kom­men!‹, aber nur, um ›wie­der drauf­zu­kom­men‹ und sei­nen Rol­len­pflich­ten im Er­werbs- und Bil­dungs­sys­tem, in Fa­mi­lie und Frei­zeit wie­der nach­kom­men zu kön­nen. In­so­fern ver­ste­hen und recht­fer­ti­gen sich diese le­gi­ti­men For­men re­ge­ne­ra­ti­ver Re­pro­duk­ti­on we­sent­lich als Vor­be­rei­tung auf das neu­er­li­che Sich-Ein­hän­gen in und Sich-An­span­nen für sys­te­mi­sche Zweck-Mit­tel-Rei­hen. Sie sind letzt­lich auf das Um-Zu-Mo­tiv hin ori­en­tiert, das seine Adep­ten bald wie­der in sei­nen Ord­nun­gen sehen will, und zwar ›frisch‹ und ›er­holt‹, um sich für die frem­den Zwe­cke zu funk­tio­na­len Mit­teln ma­chen und ver­brau­chen zu las­sen – gegen Geld ver­steht sich und nicht um ihrer selbst wil­len.

Zu die­sem Ver­ständ­nis des pri­mär re­ge­ne­ra­ti­ven Ab­hän­gens steht das an­schluss­un­taug­li­che Fau­len­zen kon­trär. Fau­len­zen als Un­ter­las­sungs­han­deln kol­li­diert in mo­der­nen Ge­sell­schaf­ten daher am hef­tigs­ten mit den Er­war­tun­gen des ka­pi­ta­lis­ti­schen Ar­beits­zeit­re­gimes, dem zu­min­dest in un­se­rer ok­zi­den­ta­len Welt nie­mand ent­kommt, ohne er­heb­li­che Ent­beh­run­gen in Kauf neh­men zu müs­sen. Die An­schluss­un­taug­lich­keit des Fau­len­zens nimmt in die­ser Front­stel­lung gegen die cal­vi­nis­tisch ge­präg­te Ar­beits­men­ta­li­tät die Form einer ra­di­ka­len Ver­wer­tungs­ver­wei­ge­rung an. Wer fau­lenzt, ist an­schlus­s­un­fä­hig, weil er nicht ar­bei­tet und sich damit fürs Er­werbs­sys­tem un­ver­wert­bar macht. Kurz: An­schluss­un­taug­lich­keit als Ver­wer­tungs­ver­wei­ge­rung be­deu­tet Ar­beits­un­taug­lich­keit.

Das Fau­len­zen ver­wei­gert sich dem af­fir­ma­ti­ven Schuf­ten um des Schuf­tens, dem Ma­lo­chen um des Ma­lo­chens, dem Ar­bei­ten um des Ar­bei­tens wil­len und damit dem durch­ge­setz­ten Ar­beits­selbst­ver­ständ­nis der Mo­der­ne. Diese hatte seit der Re­for­ma­ti­on all­mäh­lich den Spieß um­ge­dreht, das Ar­bei­ten als blo­ßes Mit­tel dis­kre­di­tiert und zum sinn­ge­ben­den Zweck, ge­nau­er: zum Selbst­zweck ha­bi­li­tiert. Der erste, der offen gegen diese fol­gen­rei­che Um­wer­tung einer Last in eine Lust op­po­nier­te, war Paul La­far­gue, der Schwie­ger­sohn von Karl Marx. In sei­ner Schrift Das Recht auf Faul­heit von 1883 po­le­mi­sier­te er gegen den Wahn des la­bo­ris­ti­schen Le­bens­zeit­fres­sers, zu dem das Ar­bei­ten unter dem ka­pi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tem ge­wor­den war. Statt ein ›Recht auf Ar­beit‹ im Namen der so­zia­lis­ti­schen Be­we­gung zu for­dern, plä­dier­te La­far­gue für das ›Recht auf Faul­heit‹ im Namen der Mensch­lich­keit.

Auch La­far­gue war na­tür­lich klar, dass die For­de­rung nach einem ›Recht auf Ar­beit‹ dem Be­dürf­nis ent­sprang, die ei­ge­ne Exis­tenz an­ge­sichts des Elends der Ar­beits­lo­sig­keit über Rechts­ga­ran­ti­en auf Ar­beit ab­zu­si­chern. Ge­mes­sen an der Aus­beu­tung und dem Fak­tum ent­frem­den­der Ar­beit aber, die den Pro­du­zen­ten im In­dus­trie­ka­pi­ta­lis­mus nicht zum Kon­su­men­ten sei­ner Pro­duk­tio­nen macht, und ge­mes­sen an der tech­no­lo­gisch immer wei­ter er­höh­ten Ar­beits­leis­tung aber, die die Pro­duk­ti­vi­tät der Ar­beit bis zur Über­pro­duk­ti­on stei­gert, ver­rin­gert sich ja weder die Ar­beits­zeit, noch wird die tat­säch­lich zu leis­ten­de Ar­beit we­ni­ger. Im Ge­gen­teil: »Je pro­duk­ti­ver die ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beit wurde, umso stär­ker wurde zu­gleich der ge­sell­schaft­li­che Druck, mehr Ar­beit zu mo­bi­li­sie­ren.« (La­far­gue, Das Recht auf Faul­heit, 12, S. 7-28) Und die­ser Be­fund gilt bis heute: Denn weder sinkt mit jeder tech­no­lo­gi­schen Ma­schi­nen-In­no­va­ti­on die zu leis­ten­de Ar­beits­men­ge, noch schrumpft die Ab­sorp­ti­ons­kraft des Ar­beits­mark­tes. Noch nie zuvor wurde so viel ge­ar­bei­tet und noch nie ar­bei­te­ten so viele für so wenig Lohn wie heute.

Warum aber soll immer noch mehr ge­ar­bei­tet wer­den, wenn die Ar­beits­leis­tung immer grö­ßer ge­wor­den, also schon groß genug ist? An­ge­sichts die­ses ›Pro­duk­ti­vi­täts­pa­ra­do­xes‹ (Ste­phan Les­se­nich) er­scheint die For­de­rung nach einem ›Recht auf Ar­beit‹ als ir­ra­tio­nal und die nach einem ›Recht auf Faul­heit‹ als ra­tio­nal. So be­trach­tet, gibt es gute Grün­de, die Ar­beits­ge­sell­schaft und ihre »Liebe zur Ar­beit« als »ra­sen­de Ar­beits­sucht« oder als Psy­cho­pa­tho­lo­gie zu dia­gnos­ti­zie­ren, die die »Le­bens­en­er­gie des Ein­zel­nen und sei­ner Nach­kom­men« (Paul La­far­gue: Das Recht auf Faul­heit, in der­sel­be, Das Recht auf Faul­heit und an­de­re Sa­ti­ren, Ber­lin 1986, S.31) rui­niert, oder, wie wir heute sagen wür­den, den Mas­sen-Burn Out ge­ne­riert.

Und La­far­gue emp­fiehlt eine ein­fa­che Ver­hal­tens­the­ra­pie: Ar­bei­tet we­ni­ger, kon­su­miert mehr und ge­nie­ßt mehr freie Zeit! Sein Rat, immer mal wie­der von mu­ti­gen, aber er­folg­lo­sen Ge­werk­schaf­tern auf­ge­grif­fen, ging auf Ra­tio­nie­rung aus: ›Man muss, um Ar­beit für alle zu haben, sie ra­tio­nie­ren wie Was­ser auf einem Schiff in Not.‹

Die Rea­li­sie­rung die­ses ar­beits­diä­te­ti­schen Vor­schlags läuft al­ler­dings auf eine Re­vo­lu­ti­on der Ar­beits­ge­sell­schaft und ihres ar­beits­zen­trier­ten Zeit­re­gimes hin­aus. Wir ma­chen uns sel­ten klar, dass wir 8 Stun­den ›durch-‹schla­fen und 8 plus n-Stun­den ›durch-‹ar­bei­ten sol­len, dass wir un­se­re Kin­der ohne Not um 6 Uhr aus dem Bett schre­cken, um sie vor 8 Uhr in der Frühe in die Schu­le zu het­zen. Wir ma­chen uns also sel­ten klar, dass un­se­re Le­bens­zeit he­te­ro­nom ge­tak­tet und einem ri­gi­den Zeit­re­gime un­ter­wor­fen ist, das sich letzt­lich vom ka­pi­ta­lis­ti­schen Be­trieb und sei­ner Ef­fi­zi­enz­ver­ses­sen­heit her­lei­tet. Und auch hier be­geg­nen wir einem Pa­ra­dox, dem ›Zeit­pa­ra­dox‹: Noch nie war der All­tag – Haus­halt, bin­dungs­pfle­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on und not­wen­di­ge Ar­beit – tech­no­lo­gisch der­art zeit­spa­rend zu be­wäl­ti­gen und noch nie zuvor klag­ten die Men­schen der­art über Zeit­knapp­heit. Die sub­jek­ti­ve Emp­fin­dung von Zeit­ver­lust bei ob­jek­ti­vem Zeit­zu­ge­winn geht so weit, dass Zeit­not­stand zum ob­jek­ti­ven Sta­tus­merk­mal ar­ri­viert: Wer ihn mit­teilt, er­hält Ver­ständ­nis und Zu­stim­mung, wer ihn nicht teilt, ir­ri­tiert und lebt ver­kehrt.

Lebt ver­kehrt? Ja, gerät unter den Ver­dacht, sein Leben sub­op­ti­mal zu or­ga­ni­sie­ren und die Fülle in­di­vi­du­el­ler Ge­stal­tungs­chan­cen un­ge­nutzt zu las­sen, also seine Zeit mit un­öko­no­mi­schem, un­ver­wert­ba­rem Nichts­tun zu ver­geu­den, vulgo: zu ver­fau­len­zen. Eine sol­che fau­lenzi­sche Zeit­ver­wen­dung aber wird heute als Zeit­ver­schwen­dung stig­ma­ti­siert. Schon Nietz­sche sah das in der Fröh­li­chen Wis­sen­schaft sehr scharf: »Man schämt sich jetzt schon der Ruhe; das lange Nach­sin­nen macht bei­na­he Ge­wis­sens­bis­se. Man denkt mit der Uhr in der Hand, wie man zu Mit­tag ißt, das Auge auf das Bör­sen­blatt ge­rich­tet – man lebt wie einer, der fort­wäh­rend etwas ›ver­säu­men könn­te‹…« ( Fried­rich Nietz­sche: Fröh­li­che Wis­sen­schaft, Frank­furt/M. 1982, 329­tes Stück, Muße und Mü­ßig­gang, S. 203) So ge­se­hen hat die Rück­ge­win­nung der Ver­fü­gung über die ei­ge­ne Le­bens­zeit das Zeug zur re­vo­lu­tio­nä­ren Ak­ti­on. Und auf wel­che Weise könn­te eine sol­che ef­fek­ti­ver ver­wirk­licht wer­den als durch Fau­len­zen?

La­far­gue schlägt kon­kret 3 Stun­den Ar­beit pro Tag vor, den Rest zur frei­en Ver­fü­gung. Auf diese Weise wür­den die Ver­hält­nis­se wie­der ins rich­ti­ge Ver­hält­nis ver­kehrt: Dann leb­ten wir nicht, um zu ar­bei­ten, son­dern ar­bei­te­ten, um zu leben! Und das ist, mit Ver­laub, keine uto­pi­sche Träu­me­rei! Ver­sucht uns die Eth­no­gra­phie doch schon seit eh und je na­he­zu­brin­gen, dass die Men­schen in Samm­ler-Jä­ger-Ge­sell­schaf­ten we­sent­lich ent­spann­ter als in den mo­der­nen High-Tech- und so ge­nann­ten Hoch­kul­tur-Ge­sell­schaf­ten leben. Sie sam­meln und jagen im Durch­schnitt 2 bis 3 Stun­den täg­lich und ver­brin­gen den Rest der Zeit in einem »mu­ßein­ten­si­ven Zu­stand, der, was vie­len nicht be­wusst ist, der na­tür­li­che ist.« (Ire­nä­us Eibl-Ei­bels­feld: Men­schen­for­schung auf neuen Wegen. Die na­tur­wis­sen­schaft­li­che Be­trach­tung kul­tu­rel­ler Ver­hal­tens­wei­sen. Wien/Mün­chen/Zü­rich 1976, S. 267) Und dabei man­gelt es den Jä­gern und Samm­lern an kei­nem der er­näh­rungs­phy­sio­lo­gisch wich­ti­gen Nähr­stof­fe wie Pro­te­ine, Vit­ami­ne und Ka­lo­ri­en, son­dern ganz im Ge­gen­teil, sie sind bes­tens mit ihnen ver­sorgt und leben recht ei­gent­lich »sa­lu­to­ge­ne­tisch«: »In Samm­le­rin­nen- und Jä­ger­kul­tu­ren, die im­mer­hin das Gros der mensch­li­chen Ge­schich­te (rund 3 Mil­lio­nen Jahre) aus­ma­chen, hatte man also nicht nur aus­rei­chend und gut zu leben, son­dern ver­füg­te auch über eine ab­so­lut voll­wer­ti­ge Kost… Ärzt­li­che Un­ter­su­chun­gen er­ga­ben, daß ihre Er­näh­rung nicht nur voll aus­rei­chend, son­dern auch op­ti­mal zu­sam­men­ge­setzt war und sie in­fol­ge­des­sen über eine her­vor­ra­gen­de Ge­sund­heit ver­füg­ten. An Ar­beit brauch­ten sie dafür le­dig­lich 2 Stun­den pro Tag auf­zu­wen­den.« ( Zi­tiert nach Klaus E. Mül­ler, Klei­ne Ge­schich­te des Es­sens und Trin­kens. Vom of­fe­nen Feuer zur Haute Cui­sine. Mün­chen, 2009, S.22)

Unter sol­cher­ma­ßen zu­recht­ge­rück­ten Zeit­pro­por­tio­nen würde sogar Ar­bei­ten wie­der at­trak­tiv, man muss es nur von der fau­lenzi­schen Le­bens­form her ins Per­spek­tiv neh­men. Denn zeit­lich re­du­ziert, würzt Ar­beit die Exis­tenz und wird zu einer der Ver­gnü­gun­gen der Faul­heit, zu einer »dem ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­nis­mus nütz­li­che(n) Lei­den­schaft.» (La­far­gue a.a.O., S.22) Das Pro­blem dabei ist, wie bei allem, was gut und schön zu­gleich ist, dass mög­li­ches und schö­nes Glück die Leute eher über­for­dert als wirk­li­ches und häss­li­ches Elend. So mein­te schon Paul La­far­gue mit Blick auf die Än­de­rung die­ses fal­schen Be­wusst­seins der Ar­bei­ter­klas­se, genau dies sei »eine schwie­ri­ge Auf­ga­be, die meine Kräf­te über­steigt.« (ebd., S.26)

Und wie recht La­far­gue hatte! Aus der Ar­bei­ter­klas­se wurde keine Fau­lenz­er­klas­se. Weder der So­wjet­kom­mu­nis­mus noch die deut­sche So­zi­al­de­mo­kra­tie be­wie­sen welt­his­to­ri­sche Klas­se, als sie die Chan­ce dazu hat­ten, son­dern beide setz­ten alles daran, die per­ma­nen­te Stei­ge­rung der Ar­beits­leis­tung im Wett­be­werb der Sys­te­me zu glo­ri­fi­zie­ren, zu he­roi­sie­ren, ja zu ver­göt­tern. So wurde nicht nur im ame­ri­ka­ni­schen Tay­lo­ris­mus jeder als Bumm­ler und Fau­len­zer kri­mi­na­li­siert, der im Ar­beits­tem­po zu­rück­blieb. Auch in der sta­li­nis­ti­schen Fa­brik wurde Bum­meln, also eine dem la­bo­ris­ti­schen Schuf­ten ab­ge­trotz­te Mi­nia­tur­form des Fau­len­zens scharf ver­ur­teilt, wie etwa ein Be­richt des Ly­ri­kers Ser­gej M. Tret­ja­kow zeigt, der 1937 selbst als Opfer einer sta­li­nis­ti­schen ›Säu­be­rungs­ak­ti­on‹ hin­ge­rich­tet wurde. Tret­ja­kow schrieb 1931 ganz eu­pho­risch über ein in­ner­be­trieb­li­ches Tri­bu­nal »Ar­bei­ter rich­ten über Ar­bei­ter«, das den Ar­bei­ter Ale­xej Bal­du­in aus der Fa­brik aus­schloss, weil er das Ar­beits­tem­po nicht hal­ten konn­te und mit 50 Pro­zent unter dem Plan­soll ge­blie­ben war: »Nie­der mit den Faul­pel­zen! Nie­der mit den Si­mu­lan­ten in der Fa­brik! Hoch die Kämp­fer an der Auf­bau­front, die Ver­wirk­li­cher der Ideen des Le­ni­nis­mus, die Stoßb­rigad­ler!« (Ser­gej M. Tret­ja­kow: Eine Sache der Ehre – eine Sache des Ruh­mes, in: Gerd Stein: Lum­pen­pro­le­ta­ri­er-Bon­ze-Held der Ar­beit. Ver­rat und So­li­da­ri­tät. Kul­tur­fi­gu­ren und So­zi­al­cha­rak­te­re des 19. Und 20. Jahr­hun­derts Band 5. Frank­furt/M.1985, S.258) Und die­sel­be stig­ma­ti­sie­ren­de Ten­denz gegen das Fau­len­zen setz­te sich in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Re­form des Ar­beits­mark­tes fort, die der So­zi­al­de­mo­krat und Ex-Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der, heute Lob­by­ist des rus­si­schen En­er­gie­ka­pi­tals, 2001 in einem Bild-In­ter­view mas­sen­wirk­sam zum Aus­druck brach­te: ›Es gibt kein Recht auf Faul­heit in un­se­rer Ge­sell­schaft.‹

In­so­fern ist im Hin­blick auf einen ge­sell­schaft­li­chen Ge­sin­nungs­wan­del in Sa­chen Fau­len­zen mehr als Skep­sis an­ge­sagt, wenn schon die Ver­tre­ter der Ar­beit sich mit denen des Ka­pi­tals darin einig sind, dass wir mehr und immer mehr statt we­ni­ger ar­bei­ten sol­len. Schär­fer denn je wird das Fau­len­zen ver­folgt und so­zi­al­mo­ra­lisch sank­tio­niert, und genau daran ist seine An­schluss­un­taug­lich­keit schuld, die im Fau­len­zen sich ma­ni­fes­tie­ren­de Ver­wer­tungs­ver­wei­ge­rung, wel­che der Ar­beit als prio­ri­tä­rer Sinn­stif­te­rin die An­er­ken­nung ver­wei­gert. Die Ar­beits­sucht herrscht vor und es ver­hält sich mit ihr so, wie Lud­wig Börne das mit Blick auf die po­pu­lä­re Ver­eh­rungs­sucht der ›Gro­ßen Män­ner‹ be­klag­te, die Län­der und Völ­ker mit Krieg über­zie­hen und Mas­sen von Men­schen ihrer un­er­sätt­li­chen Ruhm­sucht zu op­fern be­lie­ben: ›Daß doch die wahn­sin­ni­gen Men­schen immer am meis­ten lieb­ten, was sie am meis­ten hät­ten ver­ab­scheu­en soll­ten!‹

Doch viel­leicht hängt diese ein­ge­fleisch­te Feind­schaft gegen das Fau­len­zen auch damit zu­sam­men, dass bis­lang kaum phä­no­me­no­lo­gi­sche Er­kun­dun­gen in seine süß-sanf­ten Ge­fil­de vor­lie­gen? Viel­leicht braucht es hier mehr Auf­klä­rung, um die Leute auf den Ge­schmack zu brin­gen. Denn das ist ein De­si­de­rat, an dem sich weder La­far­gue noch sonst einer ex­pli­zit ver­sucht hätte. In ihren Träu­men, My­tho­lo­gi­en und Kos­mo­lo­gi­en al­ler­dings, in den ver­kehr­ten Wel­ten, den Pa­ra­die­sen und Schla­raf­fen­län­der haben die Men­schen schon immer in den Ge­gen­wel­ten des Fau­len­zens ge­schwelgt. Es kommt aber nicht dar­auf an, eine sol­che Welt nur zu fan­ta­sie­ren, son­dern sie zu rea­li­sie­ren! (Siehe hier­zu aus­führ­lich Mir­cea Elia­de, Die Ge­schich­te der re­li­giö­sen Ideen, Frei­burg i.​Br., 2002.) Daher ist der nächs­te Ab­schnitt un­se­rer klei­nen Ein­la­dung zur Fau­len­ze­rei der Phä­no­me­no­lo­gie oder der Sinn­struk­tur des Fau­len­zens ge­wid­met.

Im Lie­gen nach Lust und Laune. Fau­len­zen als wer­tra­tio­na­les Tun

Den vo­ri­gen Ar­gu­men­ta­ti­ons­fa­den wie­der auf­neh­mend, wird hier die Sinn­struk­tur des Fau­len­zens hand­lungs­theo­re­tisch ge­fasst. Wäh­rend Fau­len­zen bis­her als Un­ter­las­sen von Zweck­ra­tio­na­li­tät the­ma­tisch wurde, also quasi ex ne­ga­tivo, soll es im Wei­te­ren po­si­tiv be­stimmt wer­den. Ne­ga­tiv ist Fau­len­zen als Hand­lungs­ty­pus nicht als Nichts-Tun, son­dern als ak­ti­ves Nicht-Tun zu ver­ste­hen. Po­si­tiv ist Fau­len­zen dem­ge­gen­über ein Han­deln, das ra­di­kal wer­tra­tio­nal ori­en­tiert ist, soll hei­ßen, wer fau­lenzt, tut etwas um sei­nes »Eigen-wert(es)« (Weber, a.a.O., S.12) wil­len, und zwar »…un­ab­hän­gig vom Er­folg.« (ebd.) Die Frage ist, was die­ses ei­gen­wer­ti­ge Tun ei­gent­lich ist und worin es sich äu­ßert? Was ist es, das den Reiz des Fau­len­zens aus­macht und von denen ge­sucht wird, die Fau­len­zen um sei­ner selbst wil­len immer wie­der zu tun wün­schen? Ant­wort: Das Ei­gen­wer­ti­ge des Fau­len­zens, die spe­zi­fi­sche Qua­li­tät sei­nes Tuns er­gibt sich aus sei­ner Ei­gen­sin­nig­keit.

Ist das Un­ter­las­sen von Zweck­ra­tio­na­li­tät ge­wis­ser­ma­ßen die not­wen­di­ge Be­din­gung zum Fau­len­zen, so ist die Ori­en­tie­rung an Ei­gen­sin­nig­keit die hin­rei­chen­de, die ganz we­sent­lich für die fau­lenzi­sche An­schluss­un­taug­lich­keit kon­sti­tu­tiv ist.

Not­wen­di­ge Be­din­gung des Fau­len­zens ist der Rück­zug aus der So­zia­li­tät, aus Ge­sell­schaft und Ge­mein­schaft und aus ihren Ver­ge­sell­schaf­tungs- und Ver­ge­mein­schaf­tungs­zu­mu­tun­gen. Indem wir uns aus der So­zia­li­tät zu­rück­zie­hen, tun wir den letz­ten Schritt weg von den An­de­ren und den ers­ten hin zu uns selbst. Die­ses gänz­lich un­mi­li­tä­ri­sche, also nicht über­has­te­te Re­ti­re­ment um­fasst nicht nur die be­spro­che­ne Ver­wer­tungs­ver­wei­ge­rung ge­gen­über dem ok­zi­den­ta­len La­bo­ris­mus, son­dern in einem ganz ele­men­ta­ren Sinne auch den Rück­zug aus den Sinn­zu­sam­men­hän­gen und Sys­tem­s­e­lek­tio­nen des so­zia­len Le­bens und des­sen Er­war­tungs­zu­mu­tun­gen, die uns sei­tens der An­de­ren, der Grup­pen, der Or­ga­ni­sa­tio­nen, kurz: der Ge­sell­schaft an­ge­son­nen wer­den.

Im be­rufs­ar­beits­ge­stress­ten Abend­land fau­lenzt es sich am bes­ten und schöns­ten al­lei­ne, indem wir uns jeg­li­cher ›Um-zu-Mo­ti­ve‹ ent­le­di­gen und an­spruchs­vol­ler An­er­ken­nungs­er­war­tun­gen sei­tens an­de­rer ent­pflich­ten. Erst so sind wir be­freit genug, die Pfor­te zu un­se­ren Lau­nen, zur ei­ge­nen Kon­tin­genz und damit zum ei­gent­li­chen ›Ter­ri­to­ri­um des Selbst‹ (Er­ving Goff­man) zu durch­schrei­ten und ihnen um ihrer selbst wil­len vol­ler Be­ha­gen be­wusst zu ob­lie­gen, kurz: zum ei­gen­sin­ni­gen Fau­len­zer zu wer­den.

Diese Ei­gen­sin­nig­keit des Fau­len­zens be­steht im Drang zum Eig­ner der ei­ge­nen Ei­gen­heit zu wer­den und auf diese Weise den ech­ten und rech­ten Ei­gen­sinn frei­zu­set­zen. Denn im so­zia­li­täts­ent­las­te­ten Rück­zug wird der fau­len­zen­de Ein­zi­ge zu sei­nem Ei­gen­tum, und es ist der lau­ni­sche Fau­len­zer, der Max Stir­ner vor­ge­schwebt haben muss, da nur fau­lenzi­sche Men­schen mit vol­lem Recht von sich be­haup­ten kön­nen, dass sie ihre »Sach’ auf Nichts ge­stellt« (zi­tiert nach der Re­clamaus­ga­be, Stutt­gart 1972, S.412) haben, mit an­de­ren Wor­ten, auf nichts als den ei­ge­nen und da­durch ein­zi­gen Sinn. So die ul­tra­kur­ze Quint­es­senz des Bu­ches von Max Stir­ner Der Ein­zi­ge und sein Ei­gen­tum, die im Ori­gi­nal lau­tet: »Ich hab’ mein Sach’ auf Nichts ge­stellt«. Fau­len­zen ist ei­gent­lich der Zu­stand, den Max Stir­ner im Sinn ge­habt haben muss. Kein Wun­der also, dass ihn die Pro­gres­si­ven wie die Kon­ser­va­ti­ven an­ge­fein­det haben, bis heute.

Ei­gen­sin­nig un­ter­las­sen Fau­len­zer alles He­te­ro­no­me und tun alles Au­to­no­me, sie tun nur das, was ihnen ak­tu­ell in den Sinn kommt und ge­nie­ßen genau die­ses um sei­nes Sin­nes wil­len, ohne sich um des­sen Vor­aus­set­zun­gen und Fol­gen zu sor­gen. So er­weist sich der Ei­gen­sinn fau­lenzi­schen Tuns in der Hin­ga­be an die Laune des Au­gen­blicks, aus der das spe­zi­el­le fau­lenzi­sche Be­ha­gen, die­ses köst­li­che Sich-Trei­ben­las­sen, die­ses Ein­stei­gen in und Aus­stei­gen aus dem Be­wusst­seins­strom, das Chan­gie­ren zwi­schen Ge­dan­ken­lo­sig­keit und Be­sinn­lich­keit, zwi­schen Dif­fu­si­on und Kon­zen­tra­ti­on ent­sprin­gen, be­glei­tet von un­an­ge­streng­ter mo­to­ri­scher Mi­ni­mal­ak­ti­on, um die Glie­der zu deh­nen, die op­ti­mals­te Lo­cke­rung zu er­zie­len und so das per­fek­te La­ge­opti­mum ein­zu­neh­men.

Fau­len­zen ist somit we­sent­lich ak­tua­lis­tisch be­stimmt, d.h. durch die Nei­gungs­frei­heit, einem Tun und Las­sen ein­zig aus ak­tu­el­ler Lust und Laune zu fol­gen. Tun und Las­sen nach Lust und Laune heißt, so lange etwas tun, als die Auf­merk­sam­keit, das Quan­tum an lust­vol­ler En­er­gie, das es auf­ge­regt hat, sich ver­braucht, also so lange auf dem Kla­vier klim­pern, in der Ga­ra­ge herum wer­keln, Mu­sik­hö­ren, TV glot­zen und es lau­fen las­sen, bis uns etwas An­de­res ein­fällt, das sich gut an­fühlt und dem wir darum fol­gen wol­len. Das läuft auf ra­di­kal sub­jek­ti­vier­te, also po­si­tiv ge­wen­de­te idio­syn­kra­tri­sche Kon­tin­genz hin­aus, auf die pure Lust an der ei­ge­nen Laune.

Im Reich des Fau­len­zens also keh­ren wir ei­gen­sin­nig bei uns sel­ber ein, beim ent­spann­ten, sich selbst über­las­se­nen ›Ich‹ und sei­nem ei­ge­nen und ein­zi­gen Sinn­be­reich. Aus einem Un­ter­tan der ›Über-Ich-In­stan­zen‹ und aus einem Spiel­zeug des ›Es‹, das unter dem Druck des la­bo­ris­ti­schen Re­gimes ver­ständ­li­cher­wei­se auf Wi­der­spens­tig­keit schal­tet, ma­chen wir fau­len­zend einen in­ter­es­se­lo­sen, weil selbst­in­ter­es­sier­ten, einen selbst­be­stimm­ten, weil mit sich in Über­ein­stim­mung ge­kom­me­nen, ein­zi­gen Eig­ner der ei­ge­nen Ei­gen­heit aus uns, wie sich das Max Stir­ner nicht schö­ner hätte wün­schen kön­nen.

Aus der ra­di­ka­len Ori­en­tie­rung am Ei­gen­sinn er­gibt sich schlie­ß­lich auch ein spe­zi­el­les Ver­hält­nis zu Zeit, die plötz­lich wie­der sub­jek­tiv wird, also ganz mir und nicht mehr den an­de­ren und den Sys­te­men ge­hört. Fau­len­zen er­öff­net die Chan­ce, auf das Er­le­ben eines ab­so­lu­ten Hier und Jetzt, ent­las­tet von Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft. Im Fau­len­zen ge­win­ne ich mir die Ge­gen­wart zu­rück, in der wir wie Kin­der von einem zum nächs­ten Ein­fall stol­pern, sprin­gen, tau­meln, einer Laune nach der an­de­ren nach­ge­bend. So er­mög­licht der ak­ti­ve Rück­zug auf uns selbst die Re-Sub­jek­ti­vie­rung der Zeit und er­öff­net mir auch die Chan­ce auf Hal­tun­gen und auf ein Tun, das sich aus­schlie­ß­lich an dem ori­en­tie­ren kann, was mir ge­ra­de ein­fällt.

Sind damit es­sen­ti­el­le Züge des fau­lenzi­schen Geis­tes, der Fau­len­zer-Men­ta­li­tät be­schrie­ben, zeigt ein Blick in die Ety­mo­lo­gie eine wei­te­re we­sent­li­che Ei­gen­tüm­lich­keit des fau­lenzi­schen Han­delns, die für die von Fau­len­zern an­ge­wen­de­te ›Kör­per­tech­nik‹ (Mar­cel Mauss) cha­rak­te­ris­tisch ist, und das ist die Mo­del­lie­rung der Kör­per­hal­tung nach der Idee der Ho­ri­zon­ta­li­tät. Denn Fau­len­zer su­chen doch am liebs­ten eine Lage auf, die mehr Be­quem­lich­keit bie­tet als Sit­zen und Ste­hen, und die fin­den sie im Lie­gen.

Das zu­min­dest be­stä­tigt seine Ety­mo­lo­gie. Im Fau­len­zen ste­cken das ›Fau­len‹ und das ›Len­zen‹. Mit Len­zen ist die ty­pi­sche Raum­la­ge des fau­len­zen­den Kör­pers be­zeich­net, der sich im ›hin­ge­streck­ten Ruhen‹, in einer Kör­per­hal­tung der Kom­fort­la­ge­rung der tä­tig­keits­ent­las­te­ten Ho­ri­zon­ta­len be­fin­det. (Vgl. Grimm­sches Wör­ter­buch)

Der Rück­zug aus der So­zia­li­tät ist somit auch ein Rück­zug aus der Ver­ti­ka­li­täts­zu­mu­tung des auf­rech­ten Gan­ges, ein Rück­zug aus der von Peter Slo­ter­di­jk so ge­nann­ten Ver­ti­kal­span­nung und ein Ein­zug in die faul­heits­in­du­zier­te Ho­ri­zon­ta­l­ent­span­nung.

Ein schö­nes Bei­spiel für fau­lenzi­sche Ho­ri­zon­ta­li­tät gibt Gil­bert Keith Ches­ter­ton in sei­nem Essay über das Im-Bett-Lie­gen-Blei­ben. (in: der­sel­be, Ball­spiel mit Ideen, klei­ne Prosa, Frei­burg/Basel/Wien 1963, S.120-123) Dem op­ti­schen Sinn des in­ter­es­se­los in der Ho­ri­zon­ta­le Ge­bet­te­ten öff­nen sich Di­men­sio­nen, die den Lau­fen­den oder Sit­zen­den nicht ohne an­ge­streng­te Abs­trak­tio­nen zu­gäng­lich sind. Lie­gend neh­men die Augen die Decke über dem Boden, den Him­mel über der Erde, die ge­wölb­te Weite über der pla­nen Flä­che wahr und über­schrei­ten die vi­su­el­le Pro­fa­ni­tät des Ge­er­de­ten und Zu­han­de­nen, das den Blick nicht er­holt, son­dern mit sei­nen rea­lis­ti­schen Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten be­un­ru­higt und durch die Dis­har­mo­ni­en der For­men be­läs­tigt. Ho­ri­zon­ta­li­tät ge­währt so eine op­tisch ver­mit­tel­te Ah­nung von Tran­szen­denz. Mit an­de­ren Wor­ten: Im Bett ist alles wett, weil wir erst lie­gend ganz bei uns sind und so gleich­zei­tig ohne An­stren­gung, ohne Ziel, in der Schau des un­be­grenz­ten Rau­mes über uns uns über­schrei­ten.

Zwar ist die Ho­ri­zon­ta­li­täts­kom­po­nen­te für rei­nes Fau­len­zen es­sen­ti­ell, den­noch kann auch sit­zend im Lehn­stuhl, ste­hend am Fens­ter und mehr lust­wan­delnd als ge­hend im Gar­ten ge­fau­lenzt wer­den. Doch ber­gen diese auf­rech­ten Hal­tungs­ar­ten das Ri­si­ko aller Ver­ti­ka­li­tät, leich­ter in den Gel­tungs­be­reich des Tä­tig­wer­dens oder gar des Ar­bei­tens ab­zu­drif­ten oder ge­walt­sam hin­ein­ge­zo­gen zu wer­den. Denn, wäh­rend das Fau­len­zen im Ide­al­fall das auf­rech­te Um­her­wan­dern lässt und sich ganz dem lau­ni­schen Lie­gen­blei­ben an­heim gibt, er­for­dert schon der Mü­ßig­gang Be­we­gun­gen in der Ver­ti­ka­li­tät und ver­lei­tet un­will­kür­lich dazu, die ho­ri­zon­ta­le Kom­fort­la­ge­rung des Fau­len­zens auf­zu­ge­ben.

Vom fau­lenzi­schen Ho­ri­zon­ta­li­täts­stand­punkt aus ge­se­hen ist der reine Mü­ßig­gang nur eine tem­po­rär be­fris­te­te Op­ti­on, ein ent­spann­tes Sich-Auf­rich­ten auf Zeit, die nicht mit Fla­nie­ren oder mit Pro­me­nie­ren zu ver­wech­seln ist. Denn beide Ver­ti­kal­for­men gehen ge­ra­de nicht auf ei­gen­sin­ni­ges Fau­len­zen nach Lust und Laune, son­dern auf die ur­ba­ne Übung von Sta­tus­de­mons­tra­ti­on aus, frem­de An­er­ken­nung hei­schend und nicht ei­gen­sin­ni­ges An­eig­nen der ei­ge­nen Ein­zig­ar­tig­keit pfle­gend.

Au­ßer­dem macht Ver­ti­ka­li­tät in jed­we­der Form ex­po­nier­ter als Ho­ri­zon­ta­li­tät und setzt uns Adres­sie­run­gen aller An­de­ren aus, die immer etwas von uns wol­len, also letzt­lich uns von uns weg auf ihre In­ter­es­sen, Zwe­cke, Ziele hin ent­fer­nen wol­len. Dies alles sind ge­läu­fi­ge Macht­spiel­chen, in die ver­strickt zu wer­den, die fau­lenzi­sche Hal­tung kei­nen Wert legen kann.

Al­ler­dings kön­nen sonst sehr ar­beit­sa­me Men­schen, die be­wusst fau­len­zen, im fau­lenzi­schen Zu­stand, beim mü­ßi­gen Um­her­wan­deln, Her­um­flät­zen und Rum­ste­hen mit man­cher Über­ra­schung rech­nen. So sind so­wohl die ho­ri­zon­ta­le Kom­fort­la­ge­rung als auch das ver­ti­ka­le Um­her­wan­deln und ihre Af­fi­ni­tät zur Ei­gen­sin­nig­keit und Laune sehr gute Sti­mu­li für Geis­tes­blitz und Ein­fall, die die Hirn­mar­ter am Schreib­tisch und beim re­gel­rech­ten Ar­bei­ten scheu­en, son­dern nur »kom­men, wenn es ihnen, nicht, wenn es uns be­liebt…bei einer Zi­gar­re auf dem Ka­na­pee…beim Spa­zier­gang auf lang­sam stei­gen­der Stra­ße, oder ähn­lich, je­den­falls aber dann, wenn man sie nicht er­war­tet…«. (Max Weber, Wis­sen­schaft als Beruf, S.590) Nicht als Folge me­tho­di­scher Be­mü­hung und schwe­rem Grü­beln am Schreib­tisch, son­dern mü­ßig­gän­ge­risch oder mü­ßi­glie­gend fällt über­haupt etwas ein. Ein­fäl­le las­sen sich nicht be­feh­len, son­dern ge­sche­hen von selbst, wo nichts He­te­ro­no­mes sie er­war­tet, um sie an Zwe­cke bin­den und ihrer Au­ra­ti­zi­tät be­rau­ben zu wol­len. Genau dies aber ver­hü­tet die fau­lenzi­sche At­mo­sphä­re der Ei­gen­sin­nig­keit und Lau­nen­haf­tig­keit, wo alles, was kommt, um sei­ner selbst wil­len Wert­schät­zung und An­er­ken­nung un­ein­ge­schränkt er­fährt. Und nichts über­zeugt no­to­ri­sche Ar­bei­ter mehr vom Fau­len­zen als die nur noch auf sei­nem Boden er­leb­ba­re Er­fah­rung, dass nicht me­tho­di­sches und kal­ku­la­to­ri­sches, letzt­hin tech­ni­sches Han­deln die be­gehr­te In­no­va­ti­on und das Neue be­wusst her­vor­lockt, son­dern ge­ra­de die Un­ter­las­sung sei­ner und das ei­gen­sin­nig ein­zi­ge Sich-Ge­hen-Las­sen.

Prin­zi­pi­ell lässt sich in der Ho­ri­zon­ta­len da­ge­gen struk­tu­rell nicht viel Er­werbs­mä­ßi­ges aus­füh­ren, al­len­falls Ge­werbs­mä­ßi­ges wie das etwas zy­nisch als ›ho­ri­zon­tal‹ be­zeich­ne­te Ge­wer­be, eine der de­mü­ti­gends­ten und an­stren­gends­ten Ar­beits­wei­sen, oder aber Kunst­ge­werbs­mä­ßi­ges wie das De­cken­ma­len, das wir von Mi­che­lan­ge­lo her ken­nen oder vom KFZ-Me­cha­ni­ker, der auf dem Roll­brett un­term PKW liegt und ihn re­pa­riert – lau­ter ex­tre­me Zu­mu­tun­gen an Kör­per und Geist und Seele, in denen der La­bo­ris­mus die Ho­ri­zon­ta­le ap­pro­pri­iert und sich als das ent­larvt, was er ver­ti­kal schon immer war und ist, ob­wohl nicht mehr als sol­ches wahr­ge­nom­men, Müh­sal, Er­nied­ri­gung, Tor­tur.

Nach all dem Po­si­ti­ven des Fau­len­zens regt sich die Frage: Wo bleibt das Ne­ga­ti­ve? Auch hier hilft die Se­man­tik wei­ter, die das ›Fau­len‹ als zwei­tes Be­deu­tungs­stück mit dem ›Len­zen‹ ver­bin­det und auf die eine Ge­fahr auf­merk­sam macht, die ra­di­ka­len Fau­len­zern dro­hen kann, auf den Zer­fall, die Zer­set­zung im Sinne von etwas Schlech­tem, Fal­schem, Schlim­mem, Üblem. Davon weiß auch Ei­chen­dorffs be­rühm­ter Tau­ge­nichts zu be­rich­ten, der nach ta­ge­lan­gem Nichts-Tun zu der Emp­fin­dung ge­langt, ›…als würde ich vor Faul­heit noch ganz aus­ein­an­der­fal­len.‹ Diese Pa­tho­lo­gie der Selbst­auf­lö­sung kommt in Gang, wenn fau­lenzi­sches Nicht-Tun mit pa­tho­lo­gi­schem Nichts-Tun ver­wech­selt wird, wenn Fau­len­zen also nicht auf an­ge­neh­me, ei­gen­sin­ni­ge Zu­stän­de führt, son­dern von ihnen ab, auf un­an­ge­neh­me Leere wie Lan­ge­wei­le, Me­lan­cho­lie oder schlim­mer noch auf De­pres­si­on.

Fau­len­zen, so zeigt sich hier­an, ist nicht ohne Ge­fahr. Dies gilt be­son­ders für die unter uns, wel­che zwar wie wir alle auch vom ›stäh­ler­nen Ge­häu­se‹ (Max Weber) des ok­zi­den­ta­len La­bo­ris­mus um­schlos­sen sind, aber sich in einem Maße wi­der­stands­los und af­fir­ma­tiv von ihm in Be­sitz neh­men las­sen, dass sie als Workaho­lics und Ma­ni­ker des Schuf­tens in den Tret­müh­len und Lauf­rä­dern der Ar­beit enden müs­sen. Sie müs­sen sich das Fau­len­zen ver­nei­nen, um durch­zu­hal­ten, und als Folge es nur mehr auf la­bo­ris­ti­sche Weise aus­hal­ten, ihr Leben. Ro­land Barthes sieht und be­dau­ert genau dies an sich selbst. In einer Art Selbst­dia­gno­se bringt er das in wün­schens­wer­ter Klar­heit auf den Punkt: »Ich wäre ver­sucht zu sagen, daß ich der Faul­heit in mei­nem Leben gar kei­nen Platz ein­räu­me, und darin liegt der Feh­ler. Ich emp­fin­de das als Man­gel, als ein Un­recht.« (Ro­land Barthes, Mut zur Faul­heit, in: David Dil­mag­ha­ni/Nas­si­ma Sa­haoui, Klei­ne Phi­lo­so­phie der Faul­heit, Frank­furt/M., S.159f.) Genau: Im La­bo­ris­mus gibt es bloß schuld­haf­tes Fau­len­zen, das see­lisch schmerzt und lei­den macht. Im herr­schen­den La­bo­ris­mus feh­len die Kraft und die Frei­heit zum Fau­len­zen, die uns von der Krip­pe an und so über alle ge­sell­schaft­li­chen Agen­tu­ren ab­so­zia­li­siert wird. »Wenn Sie wol­len«, so Ro­land Barthes im näm­li­chen In­ter­view, »bin ich un­fä­hig, Mü­ßig­gang…in mein Leben ein­zu­be­zie­hen. Außer den Freun­den lasse ich nur mür­ri­sche Faul­heit hin­ein.« (ebd.)

So setzt das Fau­len­zen unter mo­der­nen Kul­tur­be­din­gun­gen Selbst­kennt­nis und Selbst­ge­spür vor­aus, also die Fä­hig­keit, Lau­nen und Ein­fäl­le zu schme­cken und zu be­ur­tei­len und ihnen Ab­hil­fe zu schaf­fen, falls sie üble und schlech­te Stim­mun­gen ma­chen, die letzt­lich der Ar­beits­stress uns ein­brockt, und uns wie böse Träu­me bis ins In­ners­te der fau­lenzi­schen Ho­ri­zon­ta­len nach­hän­gen. Auf die­sem Feld er­weist sich Fau­len­zen als Frei­zeit­schu­le der Selbst­er­kennt­nis, indem es uns die Er­fah­rung des schein­bar grund­lo­sen Lei­dens zeigt und uns zu­gleich eine Übung darin bie­tet, sie durch einen Wech­sel in an­de­re Zu­stän­de, schlimms­ten­falls in ver­ti­ka­le Ar­beits­zu­stän­de zu über­win­den. Denn nichts ver­treibt schlech­te Laune so gründ­lich wie schlech­te Laune: Erst ein­mal ins Ar­bei­ten ge­kom­men, wächst das Be­dürf­nis eben­so rasch, wie­der mit ihm auf­zu­hö­ren. Denn wie ge­sagt: Erst vom fau­lenzi­schen Stand­punkt aus macht Ar­bei­ten wie­der als Mit­tel, als Würze des Le­bens Sinn, das dazu bei­trägt, sich im Fau­len­zen umso an­ge­neh­mer ge­nie­ßen zu kön­nen.

Warum hat Fau­len­zen einen so üblen Leu­mund?

Nach dem bis­her Ge­zeig­ten ist klar, dass die mo­der­ne Ar­beits­wut- und Zeit­ver­knap­pungs­ge­sell­schaft nicht nur mit Fau­len­zen im dar­ge­leg­ten Sinne nichts an­fan­gen kann, son­dern dass sie es von Grund auf ab­leh­nen und ver­ur­tei­len muss. Po­li­ti­ker, Öko­no­men und Er­zie­her, Ge­set­zes­ma­cher und Welt­ver­schlech­te­rer, Be­triebs- und Volks­wirt­schaft­ler, Leh­rer und Pro­fes­so­ren müs­sen und wol­len zum Ar­bei­ten und zur Nütz­lich­keit, zur Ef­fek­ti­vi­tät und zur Ef­fi­zi­enz, zur Ge­schwin­dig­keit und zur Be­schleu­ni­gung mo­ti­vie­ren, um ihre gut be­zahl­ten Rol­len zu er­fül­len und die li­nea­re Kul­tur des Wes­tens vor­an­zu­brin­gen.

Wie aus der Dis­kus­si­on der fau­lenzi­schen Un­ter­las­sung von Zweck­ra­tio­na­li­tät ge­nü­gend klar ge­wor­den sein soll­te, steht Fau­len­zen als Form der Ver­wer­tungs­ver­wei­ge­rung grund­sätz­lich gegen ka­pi­ta­lis­ti­sches Wirt­schaf­ten und die durch sie ge­präg­te la­bo­ris­ti­sche Men­ta­li­tät. Zudem zeigt die po­si­ti­ve Be­stim­mung des Fau­len­zens als so­zia­li­täts­ent­las­te­te, ei­gen­sin­ni­ge und ho­ri­zon­ta­le Selbsta­n­eig­nung des Men­schen im Zei­chen von Lust und Laune ihre An­schluss­un­taug­lich­keit an eine ef­fi­zi­enz­ra­tio­na­lis­tisch ver­ein­sei­tig­te Mo­der­ne aber in einem noch viel grund­le­gen­de­ren als bloß dem öko­no­mi­schen Sinn.

Das Ei­gen­schafts­wort ›mo­dern‹ kommt von la­tei­nisch ›mo­der­nus‹, was so viel heißt wie ›vor kur­zer Zeit ent­stan­den‹. Die Se­man­tik des ›Mo­der­nen‹ be­stimmt sie in nuce über ein be­son­de­res zeit­li­ches Ver­hält­nis, in dem die als ›mo­dern‹ be­zeich­ne­ten Men­schen und Dinge zu Men­schen und Din­gen ste­hen. Etwas ist mo­dern, weil es zeit­lich erst vor ›kur­zem ent­stan­den‹ oder im zeit­li­chen Sinne ›neu‹ ist. Mo­der­ne Kul­tur ist ver­zeit­lich­te Kul­tur ist In­no­va­ti­ons­kul­tur.

Das lässt sich nicht nur am De­gout ge­gen­über all dem ab­le­sen, was als ›alt‹ oder ›ver­al­tet‹ und syn­onym als ›un­mo­dern‹ eine spon­ta­ne Emp­fin­dung der Ab­wer­tung pro­vo­ziert. Indem mo­der­ne Kul­tur das Neue be­jaht und die Neue­rung be­güns­tigt, wen­det sie sich nicht nur vom Ver­gan­ge­nen ab, son­dern auch vom Ge­gen­wär­ti­gen, das noch nie zuvor so rapid als ›alt‹ emp­fun­den und miss­bil­ligt wurde als heute. Das hat die oft be­merk­te Kon­se­quenz, dass sich das Ver­hält­nis von Ver­gan­gen­heit,Ge­gen­wart und Zu­kunft än­dert. Durch schnel­le­res Ver­al­ten und schnel­le­res Er­neu­ern schrumpft und schwin­det das Ge­gen­wär­ti­ge schnel­ler und das Ver­gan­ge­ne nimmt in dem Maße zu, wie es sich ent­fernt und wie die Zu­kunft näher rückt. In der In­no­va­ti­ons­kul­tur ›sind‹ Men­schen und Dinge immer kür­zer ›neu‹ und immer län­ger ›alt‹, oder wie es der Film­ti­tel sagt: Wer frü­her stirbt, ist län­ger tot.

Vor die­ser Folie lässt Fau­len­zen sich als Kom­pen­sa­ti­ons­form lesen, die unter den Be­din­gun­gen einer tech­no­lo­gisch be­schleu­nig­ten Welt, einer la­bo­ris­tisch ent­frem­de­ten Ar­beit und eines mo­der­nen Zeit­re­gimes einen Kon­tra­punkt set­zen könn­te. In­ter­es­sant ist hier ein Ver­gleich mit der Ka­te­go­rie ›Kom­pen­sa­ti­on‹, wie Odo Mar­quard sie im An­schluss an Joa­chim Rit­ter ent­wi­ckelt hat. Die An­schluss­un­taug­lich­keit des Fau­len­zens ge­währt Mo­ra­to­ri­en der Lang­sam­keit in­mit­ten der or­kan­ar­ti­gen Mo­der­ne, er­mög­licht au­then­ti­schen Selbst­ge­nuss im Me­di­um von Lust und Laune und ge­winnt der sub­jek­ti­ven Kul­tur die Zeit zu­rück, die die ob­jek­ti­ve Kul­tur chro­no­me­trisch ent­eig­ne­te. So er­weist sich fau­lenzi­sche An­schluss­un­taug­lich­keit als Oase des Selbst, in dem die Zeit da ist, damit sich be­wäh­ren kann, was ihm zur ein­zi­gen und ei­gen­sin­ni­gen ›Wäh­rung‹ wer­den soll. Denn, wenn es einen Sinn der von Men­schen ge­schaf­fe­nen Kul­tur gibt, dann doch den, dass sie zur Ent­wick­lung, wenn nicht gar zur Ver­voll­komm­nung ihrer Mensch­lich­keit taugt und nicht um­ge­kehrt.

Quelle: Seitenanfang | Startseite  IABLIS Jahrbuch für europäische Prozesse 13. Jg. 2014

Olaf der Vollender

Ab sofort gibt es keine schlechten Nachrichten mehr von mir – nur noch Gute, die der Verdauung nicht schaden. Versprochen. Der Satire habe ich abgeschworen – isch schwör von jetzt bis gestern.

Die Neujahrsansprache vom Bundeskadaveristen Olaf Scholz gibt Zuverzicht auf allen Ebenen. Hier die Zusammenfassung in einem Wumms – äähhh Satz:

2022 ging es den Deutschen schlechter als 2021, aber besser als 2023.
2024 wird die Bundesregierung diesen Erfolg mit allen Kräften in den
 nächsten 1.000 Jahren weiter ausbauen.

Na dann wird doch alles noch überbesser als besser – also richtig wummsig.

Frost Neujahr

Der wichtigste Vorsatz für 2024. Wer macht mit?

Mein heutiges Gutenachtlied

La Maison où j’ai grandi

Wenn ich mich meinen Erinnerungen hingebe
dann habe ich wieder das Haus vor Augen, in dem ich aufgewachsen bin
dann kommen eine Menge Dinge zurück:
ich sehe Rosen in einem Garten.
Dort, wo einst Bäume standen, ist
jetzt eine Stadt
und das Haus, die Blumen, die ich so liebte,
existieren nicht mehr.
Sie konnten lachen, alle meine Freunde
sie konnten so gut Freuden mit mir teilen
aber alles im Leben hat irgendwann ein Ende
und ich musste gehen, mit Tränen in den Augen.
Meine Freunde fragten mich: „Warum weinen?“
und „Die Welt entdecken ist besser als zu bleiben.
Du wirst all die Dinge finden, die man hier nicht sieht
eine ganze Stadt, die die Nacht vergessen lässt
in ihren Lichtern.“
Als ich dieses Stück meiner Kindheit verlassen hatte,

war es so, als hätte ich mein Herz verloren.
All meine Freunde, ja, sie beneideten mich um meine Chancen
aber ich, ich denke immer noch noch an das Glück
ihrer Unbekümmertheit, die sie zum Lachen brachte
und mir kommt es vor als hörte ich mich zu ihnen sagen:
„Ich komme eines Tages zurück, eines schönen Morgens
mitten in euer Lachen hinein
ja, eines Tages nehme ich den ersten Zug
der Erinnerung.“
Die Zeit ist vergangen und da bin ich wieder
und suche vergeblich das Haus, das ich liebte.
Wo sind die Steine und wo sind die Rosen
all die Dinge an denen ich einst hing?
Von ihnen und von meinen Freunden keine Spur mehr
andere Leute, andere Häuser haben ihre Plätze eingenommen.
Dort, wo einst Bäume standen, ist
jetzt eine Stadt
und das Haus, wo ist es, das Haus, in dem ich aufgewachsen bin?

Ich bin doch nicht blöd, also kauf‘ mich

Stinklangweilig hier im Himmel“, beschwert sich der neu angekommene Werbetexter. „Immer nur Wolken bügeln, frohlocken und Halleluja singen. Wozu habe ich eine erstklassige Ausbildung auf der Erde genossen? Ich bin schließlich zu besserem berufen.“
„Nun“, meinte Petrus, „du hast freie Wahl. Schau dich in der Hölle um und entscheide dann, wo du bleiben willst. Deine Entscheidung ist dann endgültig. Sag mir aber bitte nochmals Bescheid, wenn du dort bleiben willst.“ – „Versprochen.“

Dort unten angekommen, war er fassungslos von dem Angebot. Frühmorgens kochte ihm eine halbnackte Blondine Kaffee und brachte ihn an sein Bettchen von acht qm Größe. Seine Fantasie schwoll nicht nur im Kopf an. Dachte er noch an die Nächte auf Erden mit … (aus Jugendschutzgründen wird das nicht näher beäugt).
Nach dem Duschen mit Einseifen durch drei knackige Haushälterinnen ging’s erstmal auf den Golfplatz. Es mußte ja sein Handicap verbessert werden. Die Alte von seinem Chef sollte schließlich keinen Looser beim täglichen Kurzbesuch vor sich haben.
Die Mittagspause bereitete ihm etwas Streß, da auf vier Stunden beschränkt. Schließlich war noch etwas Arbeit angesagt. Dazu muß man wissen, daß es auch in der Hölle nix für ummi gibt. Aber als erfolgreicher Werbetexter war das für ihn kein Problem und innerhalb zehn Minuten erledigt und innert Minuten mit einer Mio. € honoriert.
Das genialste, was ihm einfallen konnte, war die Botschaft aller Botschaften an den Geistverbraucher. Seine Schule machte es möglich. Ohne das große Latrinum und Philosophie-Crashkurse wäre er nie auf die Idee gekommen, den genialsten Spruch aller Weisheiten zu texten.

„Ich bin doch nicht blöd, also kauf mich“.

Das war der Durchbruch für die Pilgerstätte aller vereinten Religionen, Media genannt, die den Markt und die Welt eroberte. Das läßt man sich gerne etwas kosten.
Die Abende waren eigentlich wie immer. Treffpunkt im Café Ludwig. Manchmal etwas langweilig. Meistens nahm er neben einem Liter Kultgetränk Wodka (aus Solidargründen mit der westlichen Wertegemeinschaft natürlich nur den finnischen, da er den russischen aus verständlichen Gründe verschmähte) halb und halb gemischt mit Ludwig Bräu mit nach Hause.
Aber zwei bis dreimal die Woche war halligalli im Bettchen angesagt. Die acht qm voller Leben. Aus bereits besagten Gründen hier nicht weiter beäugt.
Was für ein tolles Leben hier, dachte er und beschloß, dazubleiben. Das einzige, das ihn in Rage brachte, war, daß sein Lieblings-Ferrari seit zwei Tagen in der Werkstatt stand. Servicewüste auch in der Hölle, dachte er. Damit das besser wird, muß ein neuer Werbespruch her.
Dem Oberteufel drückte er tiefste Dankbarkeit für das wahre Paradies aus., mit dem er bereits per du war. Nach der ersten Nacht war er Feuer und Flamme für dieses Paradies das er auf der Erde sich bereits erträumte – Geld wie Heu, Ferrari, Faulenzen ohne Ende und Weiber stets zu Diensten (Anm.: natürlich nur um den Haushalt zu pflegen.)

Dort bleibe ich, teilte er Petrus mit, wie versprochen während seinem kurzen Ausflug in den Himmel. „Na, dann ist ja alles gut“, meinte Petrus gelangweilt.

Wieder vor der Hölle angekommen, war kein vergoldetes Eingangstor mit rotem Teppich weit und breit in Sicht. Nur große Mauern, wie wir sie von den Zuchthäusern kennen. Nach einiger Zeit fand er ein kleines unscheinbares Tor mit einem Namenschild ‚Hölle‘. Klingelte und es öffnete sich.
Eine riesige Pranke zerrte ihn am Hals hinein. Todesangst durchfuhr ihn.
Das, was er dort vorfand, lies ihn fast zu Tode erstarren. Möchte dem Leser den Anblick und die Beschreibung ersparen. Die ist um Klassen fürchterlicher als sie der gläubigste Katholik sich vorstellen kann.

Gequält, zerschunden am ganzen Körper, mit Ketten an Händen und Füßen, sah er den Oberteufel fröhlich pfeifend mit zwei knackigen Blondinen an ihm vorbeischlendern. „He, Oberteufel, liegt da ein Irrtum vor? Ich wollte in der Hölle leben und nicht als Sklave hier verrecken.“ –

„Das ist die Hölle, lieber Erdenfreund – deine selbstgeschaffene Bestimmung. Wo du vor kurzem warst, ist unsere Werbeabteilung.“

Der Anarchismus und seine wirkliche Bedeutung

1872 hatten die An­ar­chis­ten die Erste Internationale Ar­bei­te­rbe­we­gung verlassen. Es war offensichtlich daß sie von den Kommunisten unterwandert werden sollten. Es kam zum Disput mit den Marxisten unter Vorsitz von Karl Marx. Marx sprach vom Führungsanspruch der Kommunisten.

Es scheint stets das gleiche Spiel wenn sich Menschen von den bisherigen Machthabern lösen wollen. Als erstes werden sie belächelt, dann unterwandert und wenn das nicht hilft, bekämpft.

Danach trafen sie sich mit Michail Bakunin, Errico Malatesta und den Schweizer Uhrmacher Adhémar Schwitzguébel in Saint-Imier und riefen die „Antiautoritäre Internationale“ aus. Der Kongress gilt als Geburtsstunde des Anarchismus.

Anarchie

Immer geschmäht, verflucht – verstanden nie,
Bist du das Schreckbild dieser Zeit geworden…
Auflösung aller Ordnung, rufen sie
Seiest du und Kampf und nimmerendend Morden.
O laß sie schreien! – ihnen, die nie begehrt,
Die Wahrheit hinter einem Wort zu finden,
Ist auch des Wortes rechter Sinn verwehrt.
Sie werden Blinde bleiben unter Blinden.
Du aber, Wort, so klar, so stark, so rein,
Das Alles sagt, wonach ich ruhlos trachte
Ich gebe dich der Zukunft! – Sie ist dein,
Wenn jeder endlich zu sich selbst erwachte.
Kommt sie im Sonnenblick? – Im Sturmgebrüll? –
Ich weiß es nicht, doch sie erscheint auf Erden! –
„Ich bin ein Anarchist!“ – „Warum?“ – „Ich will
Nicht herrschen, aber auch beherrscht nicht werden!“

John Henry Mackay

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VON MALTA BIS ARMAGEDDON

Der Staats-lose Bürger

Putin zeigt die Vereinbarung mit der Ukraine, die im März 2022 in Istanbul beidseitig paraphiert wurde, auf einem Gipfel in Süd-Afrika. Boris Johnson überredete Selensky kurz darauf den Vertrag nicht zu ratifizieren.

Grundlagen

Seit Zerfall der UdSSR und dem Gipfel von Malta im Dezember 1989, wird der Westen nicht von Russland bedroht, sondern der Westen bedroht seither die Existenz Russlands, und mit immer stärkerer Intensität. – vorangetrieben von den USA mit Hilfe der NATO. Ein Irrtum mit fatalen Folgen.

Amerikas Gebrauch europäischer Nato-Staaten, besonders ihrer östlichen Mitglieder, zur Bedrohung Russlands hat zur Folge, dass ein Überschreiten der finalen ‚Rote Linie‘ Putins immer wahrscheinlicher wird. In Malta vereinbarten GHW Bush und Gorbatschow weitere Abrüstungskontrollen und – Angesichts einer Wiedervereinigung Deutschlands – Zurückhaltung bei Bündnisbeitritten ehemaliger UdSSR-Republiken.

Die überwiegend russischen Einwohner des östlichen Donbas wurden schon vor 2014 als Bürger 2. Klasse massiv unterdrückt, von ukrainischen Faschisten systematisch misshandelt und ermordet…

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